In den letzten Wochen habe ich mehrmals einen Vortrag zu der Frage gehalten, wie denn die Arbeit der Zukunft aussehen könnte. Und zwar einerseits vor Studentinnen und Studenten, und andererseits vor Beratern und Business Analysten.
Gehalten habe ich die Vorträge weil das Thema „Die Arbeit der Zukunft“ erstaunlich gut zum Thema dieses Podcasts passt, dem Lösen von Problemen. Mehr dazu ein wenig später. Die beiden Vorträge sind so gut angekommen, dass ich daraus jetzt eine Podcast-Episode mache.
Tja, wie sieht sie denn aus, die Arbeit der Zukunft? Ich denke, davon haben wir alle eine nur sehr vage Vorstellung. Oder, um es mit Niels Bohr zu sagen, einem der größten Physiker aller Zeiten:
„Prognosen sind schwierig, vor Allem wenn sie die Zukunft betreffen.“
Zu der Frage, wie Arbeit in Zukunft aussehen könnte, habe ich schon eine Vielzahl von Studien gesehen. Mit den meisten konnte ich nicht wirklich etwas anfangen, weil sie entweder sehr vage waren und sich nicht getraut haben griffige Schlussfolgerungen zu ziehen, mit denen man auch etwas anfangen kann, oder weil sie so konkret und spezifisch waren, dass es immer gleich um konkrete Berufsbilder in 5, 10 oder 20 Jahren ging.
Und das kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass irgendjemand in der Lage sein soll halbwegs genau zu beschreiben, wie die Jobs der Zukunft aussehen. Da bin ich wieder ganz bei Niels Bohr
„Prognosen sind schwierig, vor Allem wenn sie die Zukunft betreffen.“
Ich glaube schlicht nicht, dass wir heute eine vernünftige Aussage darüber treffen können, welche Berufsbilder es künftig geben wird, und welche nicht.
Ja, und dann ist mir die Studie „Future Work Skills 2020“ des „Institute for the Future“ aus Palo Alto in Kalifornien untergekommen. Und ich dachte mir gleich: ja, da hat mal einer die richtige Flughöhe erwischt. Man könnte auch sagen die richtige Eindringtiefe ins Thema.
Hier geht es nämlich nicht darum, wie genau die Arbeit in Zukunft aussieht, vielmehr hat man in einem ersten Schritt sechs „drivers of change“ also sechs Treiber oder Motoren der Veränderung identifiziert – das bei uns gebräuchliche Wort wäre wohl am ehesten Megatrends. Im zweiten Schritt hat man aus diesen sechs Megatrends dann zehn „future work skills“ also zehn zentrale Fähigkeiten für die Arbeit der Zukunft abgeleitet.
Zurück zur Arbeit der Zukunft.
Beginnen wir mit dem naheliegenden Teil, den sechs Treibern oder Motoren der Veränderung.
Das sind sechs Treiber der Veränderung oder Megatrends, von denen wir heute schon einen Hauch spüren. Die Frage ist nun, wie kann eine Welt ausschauen, wenn diese Entwicklungen sich vom Hauch zum Lüftchen, vom Lüftchen zur Brise und von der Brise zum Sturm entwickeln? Und – um auf das Thema dieser Podcast-Episode zurückzukommen – wie wirkt sich das auf die Arbeit der Zukunft aus?
Und natürlich: Wie wirkt sich das auf die Anforderungen an uns alle aus – auf die Arbeiter der Zukunft, wenn man so will.
Folgende zehn Fähigkeiten für die Arbeit der Zukunft leitet das „Institute for the Future“ in seiner Studie ab:
Wenn Maschinen und Roboter repetitive und standardisierte Arbeiten übernehmen, dann gibt es dem gegenüber einen gesteigerten Bedarf nach Fähigkeiten, die Maschinen nicht so gut beherrschen. Dabei geht es um Denk-Fähigkeiten, die bis auf weiteres nicht programmiert werden können.
Wir sehen heute schon erste Prototypen von sozialen und emotionalen Robotern. Letztlich sind Gefühle im menschlichen Sinne und Empathie mindestens so kompliziert, wie sinnerfassendes Denken. Und es wird auf absehbare Zeit keine Roboter geben, die das ein eine oder das andere können, so wie wir Menschen es können. Für die Zusammenarbeit mit Menschen ist und bleibt soziale Intelligenz oder emotionale Intelligenz essenziell.
Wissenschaftliche Untersuchungen am MIT, dem Massachusetts Institute of Technology prognostizieren eine Sanduhr-ähnliche Entwicklung am amerikanischen Arbeitsmarkt. Das heißt es wird weiterhin hochqualifizierte und hochbezahlte Jobs einerseits und schlecht bezahlte Jobs mit geringen Anforderungen an die Qualifikation andererseits geben. Die Jobs im Mittelfeld aber, also durchschnittlich bezahlte Jobs für durchschnittlich qualifizierte Mitarbeiter, verschwinden, durch Automatisierung und durch Offshoring. Das Ergebnis hat die Form einer Sanduhr: oben und unten breit, in der Mitte schmal. Laut David Autor, Professor am MIT, braucht es für die verbleibenden Jobs, d.h. sowohl für die hochqualifizierten als auch für diejenigen mit niedrigen Qualifikationsanforderungen die Fähigkeit sich neuen Gegebenheiten rasch anzupassen und Lösungen für neuartige Fragestellungen und Probleme zu finden.
Hier geht es neben sprachlichen Fähigkeiten darum sich schnell wechselnden Umgebungen, auch kulturellen Umgebungen anzupassen. Mit steigender Diversität der arbeitenden Bevölkerung wird das eine Anforderung sein, die nicht nur international tätiger Mitarbeiter trifft, sondern die gesamte arbeitende Bevölkerung.
Hier geht es auch darum quantitativ mit großen Datenmengen umzugehen, zum Beispiel mit statistischen Methoden. Und im Unterschied zur Mittelschulmathematik, die schon heute Grundlagen der Statistik umfasst, geht es hier nicht um das kochrezeptartige Lösen von Beispielen, es geht vielmehr um tiefgehendes Verständnis der Materie, um jederzeit einfache statistische Probleme im echten Leben lösen zu können.
Medienkonsum ist die eine Sache. Gerade heute habe ich ein spannendes Interview mit Professor Lembke von der Universität Mannheim, der zum Thema Umgang mit den Neuen Medien gefordert hat Kinder nicht u früh an Smartphones und Tablets zu lassen. Er hat das mit einem Satz auf den Punkt gebracht: „Wischkompetenz ist noch keine Medienkomptenz“. Darum aber genau geht es. Um einen kritischen und verantwortungsvollen Umgang mit Neuen Medien. Und es geht darum die neuen Anforderungen, wie Content präsentiert wird, zu beherrschen. Sei es Audio, sei es Video.
Viele der heutigen Probleme sind schlicht zu komplex um von einer einzigen Disziplin gelöst zu werden. Daher braucht es die Fähigkeit zwischen verschiedenen Wissensgebieten zu verbinden und zu übersetzen. Und um das zu können braucht es eine bestimmte Eindringtiefe in mehreren Disziplinen.
Hier geht es besonders darum das menschliche Denken zu verstehen, und dabei ganz besonders welche Art zu Denken und welcher Zugang sich für welches Problem am besten eignet.
Schon heute ist man bei ungefiltertem Konsum schnell überfordert, besonders gilt das für den Medienkonsum. Hier gilt es Mechanismen zu entwickeln um das Wichtige vom Unwichtigen, das Dringliche vom weniger Dringlichen zu unterscheiden.
Virtuelle Zusammenarbeit biete viele Möglichkeiten, sie verlangt aber auch gewisse Fähigkeiten. Wer heute schon auf Distanz führt, zum Beispiel in großen internationalen Projekten, der weiß, was gemeint ist.
Das sind sie also, die future work skills
Das also alles braucht es, um die Arbeit der Zukunft gut bewältigen zu können? Nein ich denke es braucht nicht alles davon. In manchen Berufen wird es noch lange Jahre ähnlich aussehen wie heute, und in den meisten wird man nur einige dieser Fähigkeiten brauchen. In jedem Fall aber wird es besser sein über diese Fähigkeiten zu verfügen als nicht über sie zu verfügen.
Die Frage, die ich mir gestellt habe ist, wo man diese Fähigkeiten erwerben kann. Und dazu habe ich ein Modell hergenommen, das ich in der ersten Episode kurz vorgestellt habe. Darin werden die drei großen Kompetenzfelder in drei Richtungen aufgespannt sind, ungefähr so wie in einem dreidimensionalen Koordinatensystem. Also drei Pfeile oder Achsen in drei verschiedene Richtungen, und auf jeder Achse wird eine Kompetenz aufgetragen.
Und in dieses Modell habe ich die zehn zentrlaen Fähigkeiten eingetragen, um die Frage zu beantworten, handelt es sich dabei jeder dieser Fähigkeiten um Fachkomptenz, soziale Kompetenz oder Methodenkompetenz.
Gehen wir sie schnell durch
Das Ergebnis ist recht eindeutig: sieben von zehn Fähigkeiten, die man künftig ganz besonders brauchen wird, fallen tendenziell in die Kategorie Methodenkompetenz, drei in die Kategorie soziale Kompetenz.
Die Reaktionen auf diese Erkenntnis im Zuge meiner Vorträge fielen ganz unterschiedlich aus.
Ich möchte das Thema „Arbeit der Zukunft“ gerne noch ein wenig weiter denken und die Begriffe komplex und kompliziert ins Spiel bringen, auf die ich in der Episode 17 näher eingegangen bin.
Ich wiederhole noch mal schnell den Unterschied: kompliziert ist etwas, wenn Sie dazu ein technisches Handbuch schreiben könnten, eine umfassende Bedienungsanleitung. Das gilt häufig für technische Geräte oder Systeme. Umgangssprachlich werden solche Geräte oder Systeme häufig als komplex bezeichnet, sie sind es aber nicht. Sie sind kompliziert, weil die verschiedenen wirkenden Faktoren transparent oder wenigstens messbar sind, und weil es einfache Ursache-Wirkung-Beziehungen gibt.
Im Unterschied dazu ist etwas komplex, wenn es ebenfalls viele verschiedene Faktoren gibt, diese aber zum Teil nicht transparent also unbekannt sind und wenn diese miteinander wechselwirken, und auch diese Wechselwirkungen zum Teil intransparent sind. Das Ergebnis ist ein System höherer Ordnung, das sich nicht mehr exakt beschreiben und dessen Ergebnisse sich nicht mehr exakt vorhersagen lassen.
So gesehen ist ein modernes Auto oder ein Computer kompliziert aber nicht komplex. Überall aber, wo Menschen ins Spiel kommen, vor allem, wenn es mehr werden, wird es komplex. Zum Beispiel bei großen Organisationen oder bei der Finanzkrise.
Ich komme jetzt noch mal auf mein Modell mit den drei Kompetenzdimensionen zurück, also Fach-, Sozial- und Methodenkompetenz. Stellen Sie sich ein Dreibein vor, der Pfeil für die Fachkompetenz zeigt nach oben, die beiden für die Sozial- und Methodenkompetenz zeigen schräg nach unten, einer nach links einer nach rechts.
Wenn man sich jetzt eine waagrechte Linie durch dieses Bild denkt, dann repräsentiert die obere Hälfte die Welt der klassischen Experten, mit einem ausgeprägten Fachwissen, in einer Welt, die vorwiegend durch Kompliziertheit geprägt ist. In dieser Welt gibt es klare Regeln, die ruhig auch selbst kompliziert sein dürfen, und es gibt klare Ursache-Wirkung-Beziehungen.
Und in der unteren Hälfte haben wir die neuere Welt der Komplexität, in der wir mehr als bisher Methodenkompetenz und auch soziale Kompetenz brauchen, in der wir gar nicht alles verstehen können, und in der wir mit einfachen Regeln besser bedient sind, als mit komplizierten. Es ist eine Welt, in der wir mit Hypothesen arbeiten müssen, und in der es Versuch und Irrtum braucht. Und es ist eine Welt, in der wir mir Sicherheitsdenken nicht vorankommen, weil es wenig Sicherheit gibt. Hier braucht es unternehmerisches Denken.
Bedeutet das, dass wir in Zukunft keine Experten mehr brauchen, wie wir sie heute kennen? Mein Bild dazu sieht folgendermaßen aus: wir werden auch künftig Experten brauchen, allerdings denke ich, dass zwei Rollen deutlich an Bedeutung gewinnen, die es heute schon gibt, die aber noch unterrepräsentiert sind.
1 Kommentar
Danke für den Input. Ich glaube aber, es wird noch viel komplizierter (oder komplexer?): Wir werden Menschen brauchen, die die Verantwortung nicht blind und gerne an Maschinen abgeben, sondern selber geradestehen für das, was sie entschieden haben. Im Marketing erleben wir das gerade: Wenn ein KI-Algorythmus einem etwas vorschlägt (zum Beispiel eine bestimmte Produktoffensive), kann man sich, wenn es schief geht, gut zurücklehnen und sagen: “Das war nicht ich, das hat die KI zu verantworten. Hab immer schon gesagt, dass das Mist ist, was die IT uns da liefert”. Auch Big Data ist ein wundervolles Schutzschild, hinter dem ich verbarrikadieren kann: “Das haben die Daten so ergeben, das kommt nicht von mir”. Es geht also nicht um Fehler-, sondern letztendlich um eine neue digitale Verantwortungskultur. Wer trägt Verantwortung für das, was Mensch und Maschine da zusammen entscheiden? Mit dieser Eigenschaft ist es heute schon schwierig, aber das ist glaube ich mit das größte Problem, das da auf uns zurollt: Die Abgabe von Verantwortung an die KI – und nachher ist es wie immer keiner gewesen. Gruß so long Dr. Klaus-Ulrich Moeller http://www.top-global-speaking.com