In der heutigen zweiten Folge möchte ich mich der Frage widmen, wie man am besten an ein Problem herangeht.
Und damit meine ich nicht etwa, wie man prozessual an ein Problem herangeht, also erster Schritt, zweiter Schritt, dritter Schritt, fertig. Hoffentlich Problem gelöst.
Nein, ich meine: Wie gehe ich mental an ein Problem heran, wie muss ich im Kopf vorbereitet sein, um gut Probleme lösen zu können? Anders gesagt, welche Einstellung und welches Mindset braucht es um gut Probleme lösen zu können?
Ins Thema einsteigen möchte ich mit einem Dialog, den ich fast genau so schon öfter erlebt habe.
Wir stellen uns zwei Kollegen vor:
- Kollege 1: „Ach, ich weiß nicht, was ich machen soll, woher soll ich nur die Daten für den Bericht herbekommen?“
- Kollege 2: „Warum versucht du es nicht mal in der Marketingabteilung? Sie müssten die Daten doch haben.“
- Kollege 1: „Ja, aber die haben mir doch beim letzten Mal schon nicht geholfen, als ich etwas gebraucht habe.“
- Kollege 2: „Warum probierst du es nicht einfach, vielleicht klappt es diesmal.“
- Kollege 1: „Ja, aber der Bericht muss doch schon morgen fertig sein, das geht sich doch nie aus.“
- Kollege 2: „Warum rufst du nicht einfach an?“
- Kollege 1: „Ja, aber angerufen habe ich beim letzten Mal auch. Das hat damals auch nicht funktioniert.“
- Kollege 2: „Ich habe heute noch ein Meeting mit den Kollegen. Warum gibst Du mir das Thema nicht mit? Vielleicht kann ich das gleich klären.“
- Kollege 1: „Ja, aber …“
Sie können sich ungefähr vorstellen, wie es weitergeht. J
Egal was der hilfsbereite Kollege sagt, der andere wird immer mit JA ABER antworten. Kennen Sie solche Kollegen? Oder tendieren Sie manchmal auch selber ein wenig zum JA ABER?
Dem JA ABER-Typ kann man nicht helfen. Wenn man den Fehler macht ihm doch helfen zu wollen, dann spielt er mit einem ein Spiel, dass den prägnanten Titel „Warum nicht – Ja, aber“ trägt. Dieses Spiel heißt so, weil die Sätze des Helfers meist mit „Warum nicht“ beginnen und der JA ABER-Typ grundsätzlich mit „Ja, aber“ antwortet.
Das Dumme ist, JA ABER-Typen lösen keine Probleme. Sie sind durchaus kreativ, wenn es darum geht Gründe zu finden, warum etwas nicht geht. Wenn es aber darum geht darüber nachzudenken, wie es denn doch gehen könnte, dann ist es mit der Kreativität schnell vorbei.
Ich möchte dem jetzt gegenüberstellen, wie ein erfolgreiches Problemlösungs-Mindset aussehen kann. Ein erfolgreiches Problemlösungs-Mindset hat nach meiner Erfahrung folgende Attribute
- Positiv
- Offen
- Neugierig
- Kritsch
- Selbstkritisch
- Aktiv
Am besten sieht man das an ein paar Beispielen. Erfolgreiche Problemlöser sagen etwa
„Das ist ein Problem. Wir wollen sehen, wie wir es lösen können.“
Das Entscheidende ist hier das Wort WIE. Es geht dem erfolgreichen Problemlöser nicht darum, OB ein Problem gelöst werden kann, sondern WIE ein Problem gelöst werden kann.
Auf die Frage, ob ein Problem gelöst werden kann, ist die Antwort NEIN schon fast Teil der Frage. Kann das Problem gelöst werden? Nein kann es nicht. J
Auf die Frage, WIE ein Problem gelöst werden kann, ist die Antwort niemals NEIN. Wenn Sie nach dem WIE fragen, dann bekommen Sie Möglichkeiten oder Optionen, und genau das brauchen Sie um ein Problem zu lösen.
Es ist entscheidend, daran zu glauben, dass ein Problem gelöst werden kann. Und wenn Sie glauben, dass es eine Lösung gibt, dann fragen Sie nicht OB, Sie fragen WIE. Erfolgreiche Problemlöser sind positiv und fragen nach dem WIE, nicht nach dem OB.
Vorsicht! Damit will ich nicht etwa sagen, dass jedes Problem gelöst werden kann. Es gibt Probleme, die nicht zu lösen sind. Das werden Sie aber auch erkennen, wenn Sie nach dem WIE fragen. Allerdings nicht in Form eines NEIN, sondern eher in Form von Lösungsoptionen, die Ihnen nicht gefallen, die sie nicht entscheiden können, oder die sie nicht umsetzen können.
Auch dazu ein Beispiel, zugegeben ein etwas makaberes: Kennen Sie den Film „127 Hours“, also 127 Stunden? Es geht um einen Kletterer, der sich bei einem Sturz in eine Spalte den Arm mit einem Steinbrocken einklemmt. Hört sich an wie ein richtig großes Problem, und das ist es auch.
Unser Held versucht daraufhin den Stein erst mit dem Messer zu zerkleinern, dann mit einem improvisierten Flaschenzug zu bewegen, um seinen Arm frei zu bekommen. Beides misslingt. Nach mehreren Tagen und Nächten, es sind genau 127 Stunden, ist er vollkommen übermüdet, unterkühlt und dehydriert, kurz vor dem Ende. Und was macht er? Er wendet sich der einzigen Lösung zu, die ihm bleibt um zu überleben. Er durchtrennt seinen eigenen Arm. Und er überlebt.
Sie fragen sich, warum das ein gutes Beispiel für ein unlösbares Problem ist? Weil es für sehr viele Menschen wohl unlösbar gewesen wäre. Und warum wäre es für die meisten Menschen unlösbar gewesen? Nein, nicht etwa, weil es grundsätzlich unlösbar ist. Es ist ein lösbares Problem, das hat der Held der Geschichte ja gezeigt. Es ist lösbar, nur bei der Frage nach dem WIE kommen Sie auf Optionen, die Ihnen nicht gefallen, und die nur die Wenigsten umsetzen wollen und können.
Und so ist es häufig mit unlösbaren Problemen. Die meisten wären schon irgendwie lösbar, aber eben nicht so wie wir gern wollten und könnten.
Ein weiteres Beispiel, was erfolgreiche Problemlöser sagen
„Lasst uns verstehen, was die Ursache ist.“
Häufig sehen wir bei Problemen nicht die Ursache, sondern nur die Symptome. Das lässt sich mit einer Krankheit vergleichen. Die Ursache einer Erkältungskrankheit mag in einem Virus oder einer bakteriellen Infektion liegen, die Symptome sind Husten, Schnupfen und noch ein paar unangenehme Dinge mehr.
Wenn Sie eine Krankheit wirklich heilen wollen, dann beschränken Sie sich nicht darauf die Symptome zu bekämpfen, Sie versuchen an die Ursache zu kommen. Ähnlich verhält es sich bei Problemen. Wenn Sie nur die Symptome bekämpfen, lösen Sie das Problem nicht. Erfolgreiche Problemlöser suchen daher nach der Ursache für ein Problem, neugierig und offen.
Ein weiteres Beispiel, was erfolgreiche Problemlöser sagen. Nachdem sie die Ursache des Problems gefunden haben, sagen sie
„Ist das wirklich die Ursache?“
Viele Menschen geben sich damit zufrieden, wenn sie die Ursache für ein Problem gefunden haben. Oder besser, sie geben sich zufrieden, wenn sie die Ursache für ein Problem glauben gefunden zu haben. Ob das tatsächlich die Ursache für das Problem ist, erfahren sie nur, wenn sie dran bleiben und weiter suchen.
Erfolgreiche Problemlöser geben sich nicht leicht zufrieden. Sie gehen einen Schritt weiter und hinterfragen, ob sie die Ursache tatsächlich gefunden haben, kritisch und selbstkritisch.
Ein weiteres Beispiel, was erfolgreiche Problemlöser sagen
„Um das Problem zu lösen müssen wir A, B und C machen. Wer macht was bis wann?“
Probleme löst man nicht, indem man sie analysiert und versteht, nicht indem man Lösungsoptionen entwickelt und nicht indem man Entscheidungen trifft. So wichtig diese Schritte sind, Probleme löst man nur, indem man etwas tut. Indem man Maßnahmen festlegt und diese umsetzt. Erfolgreiche Problemlöser haben das verstanden und sind aktiv.
Ein letztes Beispiel. Erfolgreiche Problemlöser sagen
„Ändern sich die Fakten, dann ändere ich meine Meinung“
Das ist übrigens ein Zitat von John Maynard Keynes. Keynes war einer der bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts.
„Ändern sich die Fakten, dann ändere ich meine Meinung“. Sie denken vielleicht, klar, was denn sonst. Wenn sich die Fakten ändert, dann ändert man doch seine Meinung. Bloß, das stimmt nicht.
Wir bilden uns schnell eine Meinung und ändern sie nur langsam. Oder gar nicht.
Die meisten Menschen benutzen neue Fakten und Erkenntnisse nicht, um ihre Meinung zu ändern. Die meisten Menschen benutzen neue Fakten und Erkenntnisse dazu ihre bestehende Meinung zu bestätigen.
Mir fällt dazu ein Gespräch ein, dass ich kürzlich mit einer guten Freundin geführt habe. Wir haben uns darüber unterhalten, ob man zu wichtigen Fragen seine Meinung ändern darf. Sie hat sich darüber beschwert, dass es einem vorgeworfen wird, wenn man seine Meinung ändert. Dass es einem als Schwäche ausgelegt wird. Ich konnte sie das nur bestätigen.
Wer grundsätzlich nicht bereit ist seine Meinung zu ändern, wer bei seiner Meinung bleibt, auch wenn sich die Fakten ändern, der agiert ideologisch. Erfolgreiche Problemlöser tun das nicht.
Erfolgreiche Problemlöser zeichnet aus, dass sie in der Lage sind ihre Meinung zu ändern, wenn sich die Fakten ändern. Die sind offen und selbstkritisch.
Lassen Sie mich kurz die wichtigsten Punkte zusammenfassen. Ein erfolgsversprechendes Problemlösungs-Mindset hat folgende Attribute oder Eigenschaften
- Positiv – nicht nach dem OB, sondern nach dem WIE fragen.
- Offen und Neugierig – nach den Ursachen für ein Problem suchen
- Kritsch und Selbstkritisch – hinterfragen, ob man tatsächlich am Ziel der Suche ist. Die Meinung ändern, wenn sich die Fakten ändern.
- Aktiv – Probleme löst man nur indem man handelt
Ich komme nochmals zurück auf JA ABER.
JA ABER ist insgesamt eine gefährliche Floskel. Sie haben vielleicht schon mal den Spruch gehört „die Wahrheit kommt nach dem ABER“.
Sie kennen das sicher. „Herr Kollege, da muss ich Ihnen beipflichten, ABER…“. Und dann kommt sie, die Wahrheit nach dem ABER.
Vielleicht ist es Ihnen gar nicht so bewusst, wenn Sie das hören. Es gibt aber jemanden, dem es bewusst ist, und der es merkt. Ihr Unterbewusstsein nämlich.
Unabhängig davon, was Sie bewusst wahrnehmen, Ihr Unterbewusstsein nimmt bei JA ABER wahr, dass man Ihnen widerspricht. Und darauf reagieren Sie dann, mindestens unbewusst. Und wie reagieren Sie? Gewöhnlich mit Gegen-Widerspruch und Konfrontation.
Was also macht JA ABER? JA ABER stört das Gespräch und JA ABER stört die Beziehung. JA ABER sollten wir vermeiden.
Hier der Link zum Film „127 Hours“ auf imdb.com:
http://www.imdb.com/title/tt1542344/