In der letzten Episode bin ich ein wenig darauf eingegangen, wie man eine Matrix nutzen kann, um mehr Struktur und Klarheit reinzubringen, zum Beispiel in einem Meeting oder in einer Diskussion. Dazu habe ich sofort eine Nachricht bekommen, und zwar vom Frank. Und Frank möchte einerseits beim aktuellen Gewinnspiel teilnehmen, dazu sage ich am Ende der Episode noch was, und andererseits fragt er:
„Hast Du nicht eine konkrete Anwendung einer Matrix für das Lösen von Problemen? Die Beispiele waren ja mehr allgemein.“
Das ist richtig, Frank, das sehe ich auch so, und vielen Dank für Deine Nachricht!
Also Matrix für das Lösen von Problemen. Auf der einen Seite hilft mir ja jede Darstellung, die für mehr Klarheit sorgt, weiter. In dem Sinne hilft mir auch eine Matrix, die nicht allgemein mit dem Lösen von Problemen zu tun hat. Ganz konkret: Wenn Dein Problem im Bereich Führung, im Bereich Unternehmenskultur oder im Bereich Kompetenzerwerb liegt, dann können Dir die beim letzten Mal vorgestellten Matrizen dabei helfen Dein Problem zu lösen.
In dem Sinne bin ich ein Fan davon sich für ein spezifisches Problem eine spezifische und geeignete Matrix zu bauen. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist, dass es natürlich für das Thema Problemlösen auch die eine oder andere Matrix gibt, die eine helfen kann. Also lieber, Frank, liebe Hörerinnen und Hörer, hier mein Vorschlag, wie man sich dem Thema Ursachen von Problemen mit Hilfe einer Matrix nähern kann.
Bitte malen Sie sich vor Ihrem geistigen Auge eine 2 x 2 Matrix auf, also mit vier Feldern. Und dann lassen Sie uns die untere Zeile benennen: Ursache des Problems unbekannt. Und die obere Zeile nennen wir Ursache des Problems bekannt. Unbekannte und bekannte Ursachen, das gibt’s bei Problemen ja recht häufig. Und viele Probleme löst man ja auch, indem man die Ursachen angeht.
Jetzt kommen die Spalten. Die linke Spalte nennen wir: Ursachen des Problems sind für die Lösung des Problems relevant, und die rechte Spalte nennen wir: Ursache des Problems für die Lösung nicht relevant. Also links relevant, rechts nicht relevant.
So, und jetzt schauen wir uns diese Matrix an.
Links unten haben wir ein Feld, in dem finden sich Probleme, deren Ursachen unbekannt sind, bei denen die Ursachen aber für die Lösung des Problems relevant sind. Wie? Das geht? Wie kann ich denn wissen, dass die Ursache für die Lösung relevant ist, bevor ich die Ursache überhaupt kenne?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Sie fahren mit Ihrem Auto auf der Autobahn. Plötzlich wird das Auto langsamer, ein paar Warnlichter gehen an. Sie bleiben am Pannenstreifen stehen. Und Sie haben genau eines dieser Probleme, die links unten in die Matrix passen. Sie haben keine Ahnung, warum Ihr Auto stehen geblieben ist. Sie sind sich aber ziemlich sicher, dass die Ursache dafür auch für die Lösung des Problems relevant ist. Einleuchtend, oder?
Nehmen wir weiter an Sie verstehen nichts von Autos. Was machen Sie in einer solchen Situation? Sie rufen zum Beispiel einen Pannendienst. Der Herr mit dem gelben Auto kommt und findet die Ursache des Problems. Nehmen wir an der Keilriemen ist gerissen. Keine Ahnung ob Autos heute noch Keilriemen haben… ich bin da wirklich recht ahnungslos, aber nehmen wir mal an der Keilriemen war’s.
Jetzt sind Sie mit Ihrem Problem nach links oben gewandert. Die Ursache des Problems ist bekannt, und die Ursache des Problems ist für die Lösung relevant. Also Keilriemen kaputt, das ist für die Lösung gut zu wissen. Dann bauen wir einen neuen Keilriemen ein.
Die linke Seite in dieser Matrix beschreibt also zwei Zustände, die wir oft vorfinden. Es gibt ein Problem, Sie kennen aber die Ursache nicht oder noch nicht. Wenn Sie zur Ursache dann erforscht haben, dann haben Sie noch immer das Problem, kennen aber die Ursache und können an einer Lösung arbeiten.
Sehen wir uns jetzt die rechte Seite an. Rechts oben ist ein Feld, in dem finden sich Probleme, deren Ursachen sind bekannt, sie sind für die Lösung aber nicht relevant. Gibt’s das denn? Ja, diese Probleme gibt es, sogar recht häufig. Denken Sie an Probleme, deren Ursachen in der Vergangenheit liegen, und an denen sich nicht wirklich etwas ändern lässt.
Dazu ein Beispiel: Tschernobyl. Vor etwas mehr als 30 Jahren ist der Reaktor im ukrainischen Tschernobyl explodiert, eine enorme Menge radioaktiver Strahlung ist entwichen. Eine atomare Katastrophe mit vielen Toten und noch mehr Verletzten, von den Folgeerkrankungen ganz zu schweigen.
Die Ursachen für die Reaktorkatastrophe sind heute vollkommen klar. Für die Lösung des Problems haben diese Ursachen aber keine Relevanz. Ob der Reaktor aus Grund A oder aus Grund B explodiert ist, ist für alles was seither unternommen wurde, oder nicht unternommen wurde um Menschen zu retten und zu schützen schlicht egal.
Anderes Beispiel: Schiiten und Sunniten. Keine Sorge, es wird nicht sehr religiös heute… das Beispiel bietet sich einfach an. Der Grund, warum Schiiten und Sunniten – obwohl beide dem Islam zugehörig – einen Dauerkonflikt austragen, ist ziemlich einfach und klar. Die beiden Strömungen haben schlicht vollkommen unterschiedliche Vorstellungen darüber, wer ihre religiösen Führer sind. Und auch wenn dieses Problem ganz anders gelagert ist als in Tschernobyl, so gilt auch hier: das Wissen über die Ursachen hat keine Relevanz für die Lösung des Problems.
Bleibt noch ein Feld, und das finde ich persönlich am spannendsten. Rechts unten finden sich Probleme, deren Ursache unbekannt ist, und deren Ursache keine Relevanz für die Lösung des Problems hat.
Wieder könnten SIe sagen: Echt, sowas gibt’s? Und wieder sage ich: ja, so etwas gibt’s. In dieses Feld passen die allermeisten persönlichen Konflikte.
Nehmen wir an Sie haben eine Meinungsverschiedenheit mit Ihrem Partner. Vielleicht haben SIe eine Meinung, wie es dazu gekommen ist, vielleicht hat Ihr Partner eine Meinung dazu.
Ganz egal, Sie werden diese Meinungsverschiedenheit, diesen Konflikt nicht lösen können, indem Sie Ursachenforschung betreiben. Wenn Sie der Meinung sind, dass das doch geht, dann sind ziemlich sicher ein Geschlechtsgenosse von mir, ein Mann.
Aber im Ernst, persönliche Konflikte lassen sich am ehesten lösen, indem einer oder eine auf die oder den anderen zugeht. Und ein Friedensangebot macht, sich für etwas entschuldigt, dass er möglicherweise gar nicht getan hat, eine Schuld auf sich nimmt, die es möglicherweise gar nicht gibt.
Oder, um es mit einem indischen Gelehrten zu sagen:
„When you say sorry to someone, that doesn’t mean that you are wrong. It just means that you value the person more than being right.“
also
„Wenn du dich bei einem anderen Menschen entschuldigst, dann bedeutet das nicht, dass du Unrecht hast. Es bedeutet nur, dass dir dieser Mensch wichtiger ist als Recht zu haben.“
Ich sage Ihnen auch gerne, warum mir dieses Feld in der Matrix so besonders gut gefällt. Ganz egal ob im beruflichen Umfeld oder privat, es kommt immer wieder zu Konflikten. Und oft arbeitet man sich dann an den Ursachen ab und versucht die Schuldfrage zu klären. Leider führt das nicht dazu, dass der Konflikt weg geht. Und wenn man sich die Matrix vor Augen hält, und wenn man ein wenig reflektiert, dann wird man recht schnell merken, dass man mit dieser Ursachensuche, mit diesem Schuldspiel auf dem Holzweg ist. Und auf der Basis lässt sich dann viel leichter das Richtige tun, um den Konflikt zu lösen.
Probieren Sie’s einfach mal aus. Malen Sie die Matrix auf ein Flipchart und besprechen Sie – ganz offen – in welchem Feld Sie sich eigentlich bewegen, und was dort zu tun ist.